Weevil News

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No. 42

4 pp.

10th November 2008

ISSN 1615-3472

Winkelmann, H., C. Bayer & F. Bahr (2008): Beitrag zur Biologie von Pseudaplemonus limonii (Kirby, 1808) im südlichen Portugal und Spanien (Coleoptera: Curculionoidea: Apionidae). - Weevil News: http://www.curci.de/Inhalt.html,

No. 42: 4 pp., CURCULIO-Institute: Mönchengladbach (ISSN 1615-3472).

Beitrag zur Biologie von Pseudaplemonus limonii
(Kirby, 1808) im südlichen Portugal und Spanien

(Coleoptera: Curculionoidea: Apionidae)
von
Herbert Winkelmann, Christoph Bayer & Friedhelm Bahr
Mit 15 Abbildungen auf 9 Bildtafeln


Manuscript received: 8th September 2008
Accepted: 15th October 2008

Diese Arbeit widmen wir unserem kürzlich verstorbenen Freund und Kollegen Wolfgang Suppantschitsch [Fig. W42_01] [Fig. W42_02], der sich mit besonderer Begeisterung intensiv mit der Gruppe der Apionidae beschäftigt hat.

Abstract: Contribution on the biology of Pseudaplemonus limonii (Kirby, 1808) in southern Portugal and Spain.
Field studies on the host plant relations of Pseudaplemonus limonii (Kirby 1808) are conducted in coastal habitats in southern Portugal and Spain. The first author observed adults of this weevil living on Frankenia laevis L. (Frankeniaceae) in the Iberian Peninsula in March and April 2006 and 2008. Some specimens of the new generation have been reared from Frankenia stems. The genus Frankenia is in addition to Limonium (syn. Statice) and Limoniastrum (Plumbaginaceae) a new host plant of Pseudaplemonus limonii.

Keywords
Pseudaplemonus limonii (Kirby 1808), new host plant, Frankenia laevis L., Portugal, Spain Coleoptera, Curculionoidea, Apionidae.

Zusammenfassung
Von Pseudaplemonus limonii (Kirby 1808) werden Freilandbeobachtungen zur Wirtspflanzenbindung von Küstenhabitaten Südportugals und Südspaniens beschrieben. Der Erstautor beobachtete Imagines dieses Rüsselkäfers bei Aufenthalten im Süden der Iberischen Halbinsel im Frühjahr 2006 und 2008 an Frankenia laevis L. (Frankeniaceae). Aus eingetragenen Pflanzen entwickelten sich rund 10 Pseudaplemonus limonii-Exemplare, so dass die Gattung Frankenia neben den zur Familie der Plumbaginaceae (Bleiwurzgewächse) gehörenden Gattungen Limonium (Syn. Statice) und Limoniastrum als weitere Entwicklungspflanze von Pseudaplemonus limonii zu berücksichtigen ist.

1. Einleitung

Unter den europäischen Apioniden ist Pseudaplemonus limonii mit seiner unverwechselbaren, metallisch schillernden Färbung im Gelände sofort zu erkennen [Tab. W42_01]. Dieckmann schreibt zur Verbreitung: "Halobionte Art der Küsten des westlichen Mittelmeers, des Atlantik und der Nordsee" [Dieckmann 1977]. Eine Verwechslung ist lediglich mit der zweiten europäischen Art der Gattung Pseudaplemonus chevrolati (Gyllenhal 1833) möglich, die in Frankreich, Italien, der Iberischen Halbinsel und Marokko vorkommt [Hoffmann 1986]. Pseudaplemonus chevrolati lebt am Gefleckten Sandröschen, Tuberaria guttata (L.) Fourr. (= Cistus guttatus L. = Helianthemum guttatum (L.) Mill. = Xolantha guttata (L.) Rafin.), einem annuellen Zistrosengewächs (Cistaceae) [Hoffmann 1958] [Fig. W42_03]. Diese Entwicklungspflanze ist ein Rohbodenpionier.

Während Pseudaplemonus limonii an der Nordseeküste und an der Atlantikküste Frankreichs monophag an Limonium vulgare Mill. (= Statice limonium L.) lebt, erweitert sich an den Küsten der Iberischen Halbinsel der Kreis potentieller Entwicklungspflanzen aus der Gattung Limonium (Strandnelke, Strandflieder), da dort mehrere Arten vorkommen [Fig. W42_04]. Auch die an den Küsten des Mittelmeers heimische Gattung Limoniastrum (Plumbaginaceae) kommt als Wirtspflanze in Frage.

Bei einer Reise an die portugiesische Algarve-Küste im Mai 1994 wurde Pseudaplemonus limonii an einem Fundort bei Castro Marim beobachtet [Tab. W42_02]. Hier konnten am 10.05.1995 bei der Suche am Boden zahlreiche immature Exemplare nachgewiesen werden. Der Standort entsprach den bisher bekannten Angaben zur Lebensweise:

Salziger Boden in Küstennähe mit zwei verschiedenen Limonium-Arten. Eine sehr spärlich beblätterte Art, von der nur die unbeblätterten, stark verzweigten Blütenstände im Gelände auffielen und eine Art mit einem rosettig angeordneten Büschel großer, breiter Blätter. Ungewöhnlich war hier nur, dass ein Großteil der Vegetation vor kurzer Zeit abgebrannt war und der Boden noch von einer geschlossenen schwarzen Ascheschicht bedeckt war. Von den ebenfalls völlig verbrannten Limonium-Pflanzen trieben erste kräftige Blätter aus dem Boden. Die unterirdischen kräftigen Wurzelstöcke der hier vorkommenden großblättrigen Art hatten das Feuer also unbeschadet überstanden. Einzelne kleine runde Löcher in den frischen Blättern verrieten die Anwesenheit von Pseudaplemonus limonii, der bei genauerer Betrachtung dann zahlreich am Boden zwischen der Asche umherlief. Aus welcher der an diesem Fundort vorkommenden Pflanzenarten die Imagines kürzlich geschlüpft waren, kann anhand dieser Beobachtungen jedoch nicht eindeutig geklärt werden. An weiteren ähnlichen Standorten wurde die Art nicht gefunden.

2. Frankenia laevis L. als Entwicklungspflanze

Im Frühjahr 2006 suchte der Erst-Autor mehrere der bereits 1994 in Portugal untersuchten Standorte wieder auf. Die Nachsuche von Pseudaplemonus limonii an Limonium-Pflanzen blieb allerdings erfolglos, und es waren auch nur vereinzelte Fraßspuren zu entdecken.

Bei der Untersuchung von Beständen von Frankenia laevis L. an einer aufgeschütteten Wegböschung an der Küste bei Faro liefen mehrere Pseudaplemonus limonii unter den Pflanzen umher [Tab. W42_03]. Da in der Umgebung keine Limonium-Pflanzen vorkamen, wurden weitere Frankenia-Pflanzen abgesucht. Überraschend war dabei die große Anzahl der Tiere, die zum Teil an den Unterseiten der Stängel saßen oder sich in den obersten Schichten des lockeren Sandes verbargen [Tab. W42_02].

Es ist bekannt, dass viele Arten der Apionidae zeitweise an Pflanzen anzutreffen sind, die nicht ihre Entwicklungspflanzen sind, so sind schon viele Irrtümer entstanden (z.B. das "Aufbaumen" von Oxystoma pomonae), der sich nicht an Apfelbäumen, sondern in Vicia-Arten entwickelt). Allerdings deuteten kleine Fraßspuren an den Stängeln und Blättern von Frankenia laevis auf die Anwesenheit phytophager Käfer hin. Dass diese Fraßspuren aber von anderen Arten stammen könnten, ließ sich nicht ausschließen. Im Mai 1994 wurden Frankenia-Polster abgesucht. Bei Castro Marim fanden wir dann auf einer eingetrockneten Salzschlickfläche mehrere Dutzend Exemplare des sehr kleinen Bagous exilis J. du Val 1854, die an den Stängeln nagten [Tab. W42_02]. Nach Hoffmann lebt Bagous exilis an Frankenia laevis, wird jedoch auf Salzböden auch an Gänsefußgewächsen (Chenopodiaceae) wie Suaeda fruticosa Forssk. und Camphorosma monspeliaca L. gefunden [Hoffmann 1954]. Caldara & O’Brien (1998) bestätigen die Bindung von Bagous exilis an Frankenia laevis [Caldara & O’Brian 1998]. Da wir die Art wiederholt gezielt an Frankenia laevis nachweisen konnten, gehen auch wir davon aus, dass sich die Larven von Bagous exilis in dieser Pflanze entwickeln.

Noch überraschender war jedoch die Tatsache, dass viele der bei Faro gefundenen Exemplare von Pseudaplemonus limonii so frisch entwickelt (immatur) waren, dass sich die Flügeldecken schon bei schwacher Berührung verformten. In diesem Zustand sind die Tiere noch nicht sehr mobil. Sie mussten sich daher unmittelbar am Fundort entwickelt haben. Die letzte Sicherheit bezüglich der engen Bindung zwischen Frankenia laevis und Pseudaplemonus limonii brachten dann die folgenden Beobachtungen:

Im März 2008 aus Spanien (Andalusien: Umgebung Laguna de Fuente de Piedro) mitgebrachte Frankenia-Pflanzen wurden in Erde gepflanzt und beobachtet [Tab. W42_04]. Anfang April konnte dann das erste Exemplar von Pseudaplemonus limonii beobachtet werden [Tab. W42_05], am 27.4. erschienen an einer Pflanze bereits 3 Exemplare am späten Nachmittag (Sonne, ca. 20 °C). Auch diese Imagines waren immatur, wodurch bestätigt wird, dass sie sich in den Pflanzen entwickelt hatten. Noch am 15.8.2008 wurden 5 Ex. der erst während der Kultur der Pflanzen aus den Stängeln geschlüpften Tiere beobachtet.

Frankenia laevis L. (Deutsch: Glatte Frankenie oder Seeheide; Englisch: sea heath; Spanisch: albohol) ist eine Art des westlichen Mittelmeerraums und besiedelt die Küsten im Südosten Italiens, der Iberischen Halbinsel, Frankreichs und im Südosten Englands [Brightmore 1979].

3. Diskussion

Die meisten Autoren geben Limonium-Arten als Entwicklungspflanzen von Pseudaplemonus limonii an [Hoffmann 1958] [Dieckmann 1977]. Ehret hingegen nennt im Zusammenhang mit der Beschreibung einer Unterart von Pseudaplemonus limonii als Entwicklungspflanze die Gattung Spergularia (Caryophyllaceae) [Ehret 1997]. Nach heutigen Erkenntnissen sind sowohl Arten der Gattung Limonium (Plumbaginaceae) als auch Frankenia laevis (Frankeniaceae) als Entwicklungspflanzen geeignet. Nach unseren Beobachtungen kommt in Küstenhabitaten an Spergularia-Arten jedoch nur die Gattung Sibinia vor. Wir gehen daher davon aus, dass Ehret eine Verwechslung zwischen den habituell ähnlichen Gattungen Frankenia und Spergularia unterlaufen ist [Tab. W42_05].

Um das Spektrum der Entwicklungspflanzen von Pseudaplemonus limonii abschließend zu klären bzw. Spergularia als Wirtspflanze auszuschließen, sind weitere Untersuchungen erforderlich. Dabei ist auch die Bevorzugung bestimmter Arten der Gattung Limonium bzw. einzelner Pflanzenbestände von Interesse. Bisher ist lediglich bekannt, dass sich Pseudaplemonus limonii nicht an jedem Limonium-Bestand nachweisen lässt. Bei Annäherung lassen sich die Imagines sofort fallen und sind dann am Boden recht gut getarnt [Tab. W42_04]. Selbst an bekannten Fundorten gelingt nicht jederzeit der Nachweis der Tiere, deren Aktivitätszeiten in Abhängigkeit von Temperatur und Himmelsbedeckung unbekannt sind.

Auch die Zusammenstellung aller Rüsselkäferarten, die sich an Frankenia-Arten entwickeln, erfordert weitere Beobachtungen und einen regen Informationsaustausch. Über weitere Hinweise zu Frankenia-Besiedlern wäre der Erstautor sehr dankbar.

4. Literatur

Brightmore D. (1979):
Biological Flora of The British Isles. - Journal of Ecology 67, 1097-1107.
Caldara R. & C. O’Brien (1998):
Systematics and evolution of Weevils of the genus Bagous. VI. Taxonomic treatment of the species of the western Palearctic Region (Coleoptera: Curculionidae). - Mem. Soc. Entomol. ital. 76, 131-347.
Dieckmann L. (1977):
Insektenfauna der DDR: Coleoptera – Curculionidae (Apioninae). - Beiträge zur Entomologie 27 (1), 7-143.
Ehret J.-M. (1997):
Essai de classification des Apions paléarctiques (Coleoptera Curculionidae: Apioninae) en function des familles végétales d’Angiospermes Dicotylédones parasites. - Nouvelle Revue d’Entomologie (N.S.), [1996] 13 (3): 191-221.
Hoffmann A. (1954):
Coléoptères Curculionides (deuxième partie). - Faune de France 59, 487-1208.
Hoffmann A. (1958):
Coléoptères Curculionides (troisième partie). - Faune de France 62, 1209-1839.

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Herbert Winkelmann
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