Weevil News

http://www.curci.de/Inhalt.html

No. 28

 3 pp.

3th July 2005

ISSN 1615-3472

Germann, C., F. Bahr, C. Bayer, L. Behne, G. & U. Müller, P. Sprick, P. Stüben & H. Winkelmann (2005): First record of Pachyrhinus lethierryi (Desbrochers, 1875) and Otiorhynchus crataegi Germar, 1824 at the Niederrhein (Germany: Rhineland) (Curculionidae: Entiminae: Polydrusini). - Weevil News: http://www.curci.de/Inhalt.html, No. 28: 3 pp., CURCULIO-Institute: Mönchengladbach. (ISSN 1615-3472).


Nachweis von Pachyrhinus lethierryi (Desbrochers, 1875) und Otiorhynchus crataegi Germar, 1824 am Niederrhein (Deutschland: Rheinland) (Curculionidae: Entiminae: Polydrusini)
von
Christoph Germann, Friedhelm Bahr, Christoph Bayer, Lutz Behne, Gerd & Uschi Müller, Peter Sprick, Peter Stüben, Herbert Winkelmann
mit
8 Abbildungen

Abstract
Pachyrhinus lethierryi and Otiorhynchus crataegi are reported for the first time in Mönchengladbach-Neuwerk for the Niederrhein region (Rhineland). Some dozens of individuals of the apparent green-coloured Pachyrhinus lethierryi, a south European species, were found in gardens on Thuja occidentalis L., a commonly planted conifer. The change of the host plant and the enlargement of the distribution area are pointed out. Otiorhynchus crataegi was found by dawn in gardens on Thuja, but also on Lonicera, Cotoneaster spp. and other ornamental dwarf-shrubs.

Zusammenfassung
Pachyrhinus lethierryi und Otiorhynchus crataegi wurden in Mönchengladbach-Neuwerk erstmals in der Region Niederrhein nachgewiesen. Die auffällig grün gefärbte, südeuropäische Art Pachyrhinus lethierryi wurde in mehreren Dutzend Exemplaren in Vorgärten an Thuja occidentalis L. festgestellt. Hervorzuheben sind der Wirtspflanzenwechsel und die Erweiterung des Verbreitungsgebietes. Otiorhynchus crataegi wurde bei Einbruch der Dunkelheit ebenfalls an Thuja-, aber auch an Lonicera- und Cotoneaster-Arten sowie an anderen kleinen Ziersträuchern in Gärten geklopft.

Keywords
Curculionidae, Entiminae, Polydrusini, Pachyrhinus lethierryi, Otiorhynchus crataegi, Thuja occidentalis, new record, Germany, Rhineland, garden.

Einleitung

Anlässlich der Jahreskonferenz des CURCULIO-Instituts in Mönchengladbach (17.-19.6. 2005) wurde Pachyrhinus lethierryi in Vorgärten an Thuja occidentalis L. nachgewiesen. Dieser Fund erstaunt sehr, ist doch die Fauna des Rheinlands besonders gut dokumentiert. Trotzdem wurde diese auffällige, grün beschuppte Curculionide aus Südeuropa hier bisher nicht festgestellt. Pachyrhinus lethierryi ist nach Hoffmann in Südfrankreich, auf den tyrrhenischen Inseln und auf Sizilien verbreitet [Hoffmann 1950]. Neuerdings wurde in Frankreich eine Erweiterung des Areals nach Norden festgestellt. Dazu einige ausgewählte Meldungen: Ile de France [Neid 1966], Lot [Tempère & Péricart 1989], Loir-et-Cher [Inglebert & Voisin 2001], Corrèze, Limousin [Delalande 2002]. Aus Südwestdeutschland liegen Fundmeldungen aus Pforzheim und Ludwigshafen vor [Rheinheimer 2003].
Die zweite, bisher für das Rheinland auch noch nicht nachgewiesene Art – Otiorhynchus crataegi – stammt ursprünglich aus Südost-Europa (Balkan bis Italien) [Reitter 1913], wurde jedoch vielfach verschleppt und findet sich mittlerweile in vielen Siedlungsgebieten verstreut über ganz Europa vor allem an verschiedenen Ziersträuchern.

Resultate und Diskussion

Die Tiere wurden tagsüber in Mönchengladbach-Neuwerk an Thuja occidentalis L.-Hecken (Pachyrhinus lethierryi) sowie bei Einbruch der Dunkelheit und in der Nacht an Thuja, Lonicera und Cotoneaster spp. (Otiorhynchus crataegi) mit dem Klopfschirm nachgewiesen. Belegexemplare befinden sich in den Sammlungen der Autoren.
Während der Betrachtung neuer Cryptorhynchinae aus dem Mittelmeergebiet am Tagungsort in Mönchengladbach flog ein vermeintlicher Polydrusus auf die Labortischplatte. Doch ein kurzer Blick auf die unverwechselbare Kopfform des Tieres [Fig. W28.3] verleitete den Erstautor augenblicklich zur leichtfertig erscheinenden Aussage, es handle sich hier doch um nichts Geringeres als um Pachyrhinus lethierryi [Fig. W28.1] [
Fig. W28.2], einem in Südfrankreich häufigen Verwandten von Polydrusus. Ob es diese Art neuerdings auch bis ins Rheinland geschafft haben könnte? Diese Feststellung führte zu heftiger Verwirrung und die Richtigkeit der Bestimmung wurde augenblicklich angezweifelt, da Pachyrhinus lethierryi bisher in keiner faunistischen Auflistung des Rheinlandes vermerkt war. Erst nach einer eingehenden Rekapitulation der typischen Merkmale von Pachyrhinus sowie eines eindeutigen Ausschließens der einzigen weiteren in Deutschland vertretenen Art, Pachyrhinus mustela (Herbst, 1797), erfolgte die Zustimmung seitens des versierten deutschen Kollegen! Sogleich wurde der potenzielle Ursprung des Tieres (bei dem es sich nach der Literatur [Hoffmann 1950] um einen Vertreter der Cupressaceae handeln sollte) eruiert und schließlich in Nachbars Garten in Form eines hoch gewachsenen Thuja occidentalis L.-Exemplars gefunden. Insgesamt wurden mit Unterstützung der vereinten Konferenzteilnehmer [Fig. W28.5] innerhalb einer halben Stunde mehrere Dutzend Exemplare von Pachyrhinus lethierryi nachgewiesen. Damit kann der Norden des Rheinlandes als das bisher nördlichste Verbreitungsgebiet von Pachyrhinus lethierryi in Europa genannt werden.
Bisher waren als Fraßpflanzen der Imagines von Pachyrhinus lethierryi Cupressus sempervirens L., Juniperus oxycedrus L. und Juniperus phoenicea L. angegeben worden [Hoffmann 1950]. Im vorliegenden Fall wurden die Tiere – wie erwähnt – an Thuja festgestellt [Fig. W28.4] [
Fig.W28.6]. An häufig gepflanzten Chamaecyparis- und Juniperus spp. wurden trotz gezielten Abklopfens keine Tiere gefunden. Die Larven von Pachyrhinus lethierryi dürften wie die anderer Polydrusini ektophag als Wurzelfresser im Boden leben.
Von Otiorhynchus crataegi [
Fig. W28.7] wurde gut ein Dutzend Tiere geklopft. Die sich parthenogenetisch fortpflanzende, polyphage Art wurde zusammen mit Otiorhynchus ovatus (Linné, 1758) und Sciaphilus asperatus (Bonsdorff, 1785) an den angegebenen Pflanzen gefunden [Fig. W28.8].
Besonders interessant ist die nachgewiesene Menge von mehreren Dutzend Exemplaren von Pachyrhinus lethierryi. Dies legt die Vermutung nahe, dass sich die Art bereits seit einigen Jahren in den Vorgärten Mönchengladbachs etabliert hat, jedoch zunächst in geringer Anzahl, und dadurch nicht aufgefallen ist. Erst jetzt scheint diese „Nachweisbarkeitsschwelle“ überschritten worden zu sein. Weiter erstaunt die Zeitspanne, welche anscheinend benötigt wurde, um den Wirtswechsel innerhalb der Cupressaceae von Cupressus und Juniperus nach Thuja zu vollziehen. Lange zuvor bestand die Lebensgrundlage, die immergrünen Thuja-Hecken, bereits in den Gartenlandschaften. Eine detaillierte Studie über solche Mechanismen des Wirtswechsels und der strukturellen bzw. chemischen Schranken, die es zu überwinden gilt, soll an dieser Stelle besonders angeregt werden. Des Weiteren darf auch das klimatische Umfeld nicht ausgeblendet werden, sei es nun ein allgemeiner Klimawandel oder das klimatisch günstigere, weil mildere Stadtklima, welche gewisse Anpassungen oder Arealerweiterungen überhaupt erst ermöglichen.

Danksagung

Den Anwohnern in Mönchengladbach sei für ihr Verständnis während der Suche nach Pachyrhinus lethierryi und Otiorhynchus crataegi in ihren Vorgärten herzlich gedankt.

Literatur

Delalande, R. (2002): Note de Chasse: Pachyrhinus lethierryi Desbrochers, 1875 en Corrèze. Le Coléoptériste 5: 125.
Hoffmann, A. (1950): Coléoptères Curculionides. 1ière Partie. Faune de France 52. Fédération Française des Sociétés de Sciences Naturelles Paris, 486 pp.
Inglebert, H., Voisin, H.-F. (2001): Pachyrhinus lethierryi Desbrochers, 1875 dans le Loir-et-Cher. Le Coléopteriste 42: 90.
Neid, J. (1966): Pachyrhinus lethierryi Desbrochers en Val d’Oise (Col. Curculionidae). Bulletin Acorep 27: 63.
Reitter, E. (1913): Bestimmungs-Tabellen der Otiorhynchus-Arten mit gezähnten Schenkeln aus der paläarktischen Fauna, Dorymerus und Tournieria. Verhandlungen des naturforschenden Vereins in Brünn 52: 207.
Rheinheimer, J. (2003): Pachyrhinus lethierryi Desbrochers in Südwestdeutschland (Coleoptera: Curculionidae). Mitteilungen des entomologischen Vereins Stuttgart 38: 17-18.
Tempère, G., Péricart, J. (1989): Coléoptères Curculionides. 4ième Partie. Faune de France 74. Fédération Française des Sociétés de Sciences Naturelles Paris, 534 pp.
Autoren
Christoph Germann, Weidweg 25, CH-3032 Hinterkappelen, Friedhelm Bahr, Heinz-Luhnen-Str. 20, D-41751 Viersen, Christoph Bayer, Steilpfad 76, D-13509 Berlin, Lutz Behne, Deutsches Entomologisches Institut, Eberswalder Str. 84, D-15374 Müncheberg, Gerd & Uschi Müller, Albert-Schweitzer-Str. 10, D-50226 Frechen, Dr. Peter Sprick, Weckenstr. 15, D-30451 Hannover, Dr. Peter Stüben, Hauweg 62, D-41061 Mönchengladbach, Herbert Winkelmann, Attendorner Weg 39A, D-13507 Berlin.